Eine
sehr persönliche Geschichte
Meine (🦊R.F.) Begegnungen mit drei großen Zenmeistern
Sôen Nakagawa
Sôen Nakagawa Roshi, 1907 in Taiwan geboren und verstorben 1984 in Mishima in Japan, Absolvent der kaiserlichen Tokio-Universität, war bekannt als herausragender Zenmeister und Haiku-Poet. Er war einer der ersten Zen-Pioniere an der Ostküste Amerikas im 20. Jahrhundert. Viele amerikanische Zen- Lehrer und Zen-Zentren sind auf ihn zurückzuführen.
Acht Jahre lang durfte ich in seiner Nähe sein, hin und wieder aber vollzog er ein Retreat innerhalb des Klosters und man sah ihn mehrere Monate lang überhaupt nicht. Mit einer spielerischen Leichtigkeit schwebte er durch das Kloster und seine schwarzen Knopfaugen durchdrangen das Gegenüber bis aufs Mark. Meine nächtlichen Spaziergänge mit ihm haben mich wachgerüttelt für Kälte, Tautropfen und die einzigartige Schönheit eines herabfallenden Blattes. Sein in Englisch gesprochener Weckruf: You must get true understanding“, bleibt als Prägung fest in meinem Geist verankert.
Sôen Roshi war ein zeitloses und erwachtes Wesen, das jedes Mal aus einer unvorstellbaren Tiefe an die Oberfläche auftauchte, um in der profanen Welt die alltäglichen Dinge mit den Mönchen zu erörtern. Dabei blitzte sein Humor auf, den viele erst ein paar Tage später verstanden.
Sôchu Suzuki
Sôchu Suzuki Roshi war der Abt von Ryutaku-ji von 1972 bis zu seinem Tod im Jahre 1990. In seiner Zeit als Abt und Mönchsausbilder wurden die Gebäude des gesamten Klosters neu gebaut bzw. aufwendig saniert. Er war ein durch und durch bodenständiger Zenmeister des Alltags und der Praxis. Nur ihm ist es geschuldet, dass die wirtschaftliche Kapazität für diesen Kraftakt ausreichte. Seiner Weisheit ist es zu verdanken, dass das Kloster für viele Jahrzehnte von solchen Aufgaben befreit sein wird.
Zehn Jahre lang durfte ich an seinen Dokusans teilnehmen, Einzelgespräche, die nie zu einem Gespräch wurden. Kurz, unnahbar und unüberwindbar, seine Klingel beendete abrupt jegliche Einwände und Widerworte, die ich auszusprechen versuchte. Und dennoch strahlte er bei aller Strenge Wärme und Herzensgüte aus, die seine Nähe so wertvoll machten. Seine Lehre war ausgesprochen kurz und prägnant: „Arbeite und sitze“, bei uns hieße das: „Ora et labora“. Er war ein großartiger Zenmeister, der in einer volksnahen Sprache und in seiner persönlichen Einfachheit die Lehre des Buddhas vermittelte.
Kôshô Murakami
Kôshô Murakami Roshi, in jungen Jahren Student des japanischen Nobelpreisträgers Hideki Yukawa in Physik, lernte während seiner Doktorarbeit den legendären Zenmeister Kodo Sawaki kennen. Er widmete sich fortan nur noch dem Zazen, folgte seinem Lehrer bis zum Tod und lebte danach größtenteils allein für sich in der japanischen Berglandschaft. Er wohnte ohne großen Komfort in verlassenen kleinen Hütten. Wenn die h-moll Messe von Bach aus solch einer ärmlichen Behausung erklang, verwandelte sich jeder Ort in das Heiligtum eines Erleuchteten.
Meine Begegnungen mit ihm währten mehr als zehn Jahre, sowohl in Deutschland als auch langjährig in Japan. In seinem engelhaften und mitfühlenden Bodhi-Geist gab es auch eine kompromisslose Seite, die nur und ausschließlich den Buddha-Dharma als höchstes Gut anerkannte. Unvergessen sind seine stundenlangen Lehrreden auf Japanisch, von denen ich nicht immer alles verstand.
Murakami Roshi war der „Ryôkan Taigu“ des 20. Jahrhunderts. Sein ganzes Leben lang blieb er mittel- und hauslos, zog als wandernder Mönch durchs Land und lebte von den kargen Spenden, die er bei den traditionell buddhistischen Bettelgängen erhielt. Machte man ihm größere Geschenke, bedankte er sich artig mit einer tiefen Verbeugung und verschenkte sie prompt an jemand anderes. Als brillanter und vollends erwachter Mensch lebte er ein unauffälliges und bescheidenes Leben. Er war schlichtweg die Verkörperung eines Bodhisattva, der in der profanen Menschenwelt umherging und mit Weisheit und Mitgefühl den Menschen die Lehre des Buddhas vermittelte.